Wer ist verantwortlich? Nehmen Hunde lieber mit ihrer Bezugsperson oder einer fremden Person Blickkontakt auf, wenn sie an eine unterreichbare Belohnung kommen wollen?

Blickkontakt Hund-Mensch: passen Hunde ihr Blickverhalten an, je nachdem, wer verantwortlich dafür ist, dass ihre Belohnung verschwunden ist?

Teil 2 der Zusammenfassung unserer Studie (Teil 1 siehe hier)

Wenn Hunde vor einem Problem stehen, das sie nicht alleine lösen können, nehmen sie häufig Blickkontakt mit dem Menschen auf. Doch differenzieren sie hier, wen sie anschauen? Suchen Sie eher bei ihrer Bezugsperson Hilfe als bei einer fremden Person? Oder wenden sie sich überwiegend an jene Person, welche für das Problem verantwortlich ist? Diese Fragen wollten wir in der Studie beantworten.

56 Hunde wurden mit einem sogenannten „unsolvable task“ (unlösbares Problem) konfrontiert: eine Belohnung (ein beliebtes Spielzeug oder ein Futter) wurde in eine Box eingeschlossen, welche die Hunde nicht öffnen konnten. Die jeweils andere Belohnung stand inzwischen frei zur Verfügung. Alle Hunde wurden in beiden Konditionen getestet (zuerst wurde das Spielzeug eingeschlossen, im nächsten Durchgang das Futter).
            

Bei der Hälfte der Hunde war die fremde Person dafür verantwortlich, die Belohnungen einzuschliessen bzw. auszulegen (Gruppe F). Bei der anderen Hälfte (Gruppe B) war dies die Aufgabe der Besitzerin. Wir werteten aus, wie lange die Hunde in die Gesichter der beiden Personen blickten. Wichtig: wir unterschieden zwischen „box-related gazing“ (Blicke auf einen Menschen, nachdem die Hunde auf die Box geblickt oder mit ihr interagiert hatten) und „toy-related gazing“. Letzteres bezeichnete Blicke der Hunde auf einen Menschen, wenn sie mit dem frei verfügbaren Spielzeug interagierten oder es anschauten. Würden die Hunde ihr Blickverhalten anpassen, abhängig davon, ob ihre Bezugsperson oder die fremde Person dafür verantwortlich war, die Belohnung zu verstecken?

Die Antwort ist: es kommt darauf an! In Bezug auf die unerreichbare Belohnung in der Box (egal ob es sich um Spielzeug oder Futter handelte) blickten sowohl Gruppe B (Besitzerin ist verantwortlich) als auch Gruppe F (fremde Person ist verantwortlich) signifikant länger auf die Besitzerin als auf die fremde Person. Dennoch nahm Gruppe F mit der fremden Person deutlich mehr Blickkontakt auf als Gruppe B. Ging es hingegen um Blicke in Bezug auf das Spielzeug, schaute Gruppe B wieder fast ausschließlich auf die Bezugsperson. Gruppe F hingegen blickte signifikant länger auf die fremde Person.

Fazit: Hunde passen ihre Blickrichtung flexibel an, abhängig von der Identität und Verantwortlichkeit der anwesenden Personen und ob sie die unerreichbaren Belohnung erlangen oder mit dem verfügbaren Spielzeug spielen wollen. Diese Ergebnisse sind in Einklang mit der Bindungstheorie: wie auch bei potenziellen Gefahren, suchen Hunde bevorzugt bei ihrer Bezugsperson nach Hilfe, wenn Sie vor einem Problem stehen. Dennoch beachten sie durchaus auch die Verantwortlichkeit der anwesenden Personen und blicken die fremde Person vermehrt an, wenn diese verantwortlich war. Geht es hingegen um Spiel, richten sie die Blicke überwiegend an die Person, welche bereits mit dem Spielzeug interagiert hat. Da die Besitzerin während des ganzen Tests anwesend war, fühlten sich die Hunde in diesem Kontext vermutlich sicher genug („secure base effect“), um die fremde Person zum Spielen aufzufordern.

Quelle: 
Hirschi, A., Mazzini, A., & Riemer, S. (2022). Disentangling help-seeking and giving up: differential human-directed gazing by dogs in a modified unsolvable task paradigm. Animal cognition, in press. Volltext