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Feuerwerksangst bei Hunden - welche Einflussfaktoren gibt es und was hilft?

„Same procedure as every year“ – für viele Tiere ist Silvester die schlimmste Nacht des Jahres. Hechelnd, zitternd, oder bellend versuchen sie zu entkommen oder Sicherheit zu finden. Ob sie sich dabei verstecken, nervös auf und ablaufen, oder Körperkontakt zu ihrer Bezugsperson suchen, ist vom Individuum abhängig. Rund jeder zweite Haushund ist Studien zufolge von Geräuschängsten betroffen. Doch wie kann es dazu kommen, dass ein derart großer Prozentsatz unter diesen Ängsten leider? Welche Risikofaktoren gibt es? Wie soll man sich verhalten, wenn der eigene Hund betroffen ist? Und was kann man tun, damit es gar nicht erst dazu kommt? Zwei Studien haben interessante Details zutage gebracht.

Dabei wurden die HalterInnen von 1225 Hunden mittels eines Online-Fragebogens zum Thema Feuerwerksangst bei ihren Hunden befragt. 52 % der Hunde zeigten sich demzufolge zu Silvester ängstlich. Während manche dieser Hunde sich unmittelbar nach Ende des Feuerwerks wieder erholt hatten und drei Viertel der betroffenen Hunde am nächste Morgen nichts mehr anzumerken war, zeigten doch 10 % erst 24 Stunden später wieder Normalverhalten. Zwölf Prozent erholten sich innerhalb von einer Woche nach dem Feuerwerkereignis; ein kleiner Anteil (>3 %) brauchte aber etliche Wochen oder sogar Monate, um sich von dem Schreckerlebnis zu erholen.

Feuerwerksängste stellen somit einen wichtigen Faktor dar, welcher das Wohlergehen von Haushunden stark einschränken kann.

Woher kommt Silvesterangst?

Schauen wir uns zuerst an, warum ein Tier überhaupt mit Angst reagieren sollte, wenn es knallt, ohne dass ihm selbst je etwas dabei passiert ist. Die Antwort liegt in der Evolutionsgeschichte: Angst ist eine Emotion, die das Überleben sichert, indem Tiere Angstauslöser vermeiden. Laute, plötzlich auftretende Geräusche sind häufig mit einer Gefahr verbunden. Tiere, die ängstlich auf laute und plötzlich auftretende Reize reagierten, hatten also bessere Überlebenschancen und gaben die entsprechende Gene an künftige Generationen weiter. Für viele Tiere ist die Tendenz zur Angst vor lauten Geräuschen daher angeboren.

Genetische und Umwelt-Einflüsse

Tatsächlich konnte bei 45 % der betroffenen Hunde bereits im ersten Lebensjahr Feuerwerkangst beobachtet werden. Am zweithäufigsten traten die Ängste erstmals im Alter von bis zu zwei Jahren auf. Nur sehr wenige Hunde zeigten über dem Alter von sechs Jahren das erste Mal Anzeichen von Silvesterangst. Der frühe Beginn der Geräuschempfindlichkeit weist auf eine starke genetische Komponente hin. Darauf deuten ebenso auch Unterschiede in der Anfälligkeit zwischen Rassegruppen hin: Innerhalb der reinrassigen Hunde wiesen Hütehunde die höchsten Angstwerte auf. Molosser waren am wenigsten betroffen, und auch die Rassegruppen der Retriever, „Laufhunde, Schweißhunde und verwandten Rassen“ und Gesellschafts- und Begleithunde zeigten sich vergleichsweise wenig ängstlich.

Die höchsten Angstwerte von allen Gruppen hatten allerdings Mischlingshunde – und dies legt nahe, dass hier Umwelteinflüsse eine Rolle spielen: Mischlinge stammten häufiger aus dem Tierschutz oder von der Straße als reinrassige Hunde, welche häufiger vom Züchter stammten. Es ist anzunehmen, dass die Mischlinge daher im Durchschnitt weniger gut sozialisiert waren als die Rassehunde und dass ein Mangel an frühen (positiven) Erfahrungen zu einer höheren Ängstlichkeit beitrug. So zeigte die Studie, dass Hunde aus dem Tierschutz (sowohl aus dem Auslandstierschutz als auch lokal) am stärksten von Feuerwerksangst betroffen waren, während Hunde vom Züchter am wenigsten durch Feuerwerke beeinträchtigt waren. Am mutigsten zeigten sich übrigens Hunde, die vom Züchter selbst gezüchtet und dann behalten wurden. Wie jede Verhaltenseigenschaft wird also auch Feuerwerksangst durch eine Kombination von genetischen und Umwelt-Faktoren beeinflusst.

Effekte von Geschlecht und Kastration

Auch mögliche Geschlechtsunterschiede oder einen Einfluss der Kastration auf Feuerwerksangst wurden in der Studie behandelt: Bei einem direkten Vergleich der kastrierten und die unkastrierten Population zeigte sich, dass kastrierte Hunde beider Geschlechter stärker von Feuerwerksangst betroffen waren als unkastrierte Hunde. Anhand dieses Ergebnisses könnte man also auf den ersten Blick annehmen, dass eine Kastration zu größerer Ängstlichkeit führt. Bei derartigen Analysen gibt es allerdings einen Haken: es werden keine anderen möglichen Einflussfaktoren – wiederum beispielsweise frühe Sozialisierungserfahrungen – berücksichtigt. In der Studie wurden daher weitere Analysen durchgeführt, bei denen auch die Herkunft (z.B. Züchter, Privatperson, Tierschutz, Straße etc.) des Hundes in die Analyse mit einbezogen wurden. Dabei zeigte sich weder bei Hündinnen, noch bei Rüden ein signifikanter Effekt der Kastration! Wie konnte es also dazu kommen, dass in der ersten Analyse kastrierte Hunde ängstlicher waren? Ähnlich wie die Mischlingshunde waren Hunde aus dem Tierschutz oder von der Straße häufiger kastriert als jene vom Züchter. Dies legt nahe, dass auch hier mangelnde Sozialisierung – was wohl bei kastrierten Hunden häufiger zutraf – ursächlich für die stärkeren Ängste war, nicht aber die Kastration selbst. Zwischen weiblichen und männlichen Tieren gab es übrigens generell keine Unterschiede in der Studie.

Besserung ist möglich!

Insgesamt nahm die Feuerwerksangst in der untersuchten Population mit steigendem Alter zu. Dies ist kein Wunder, da die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwann im Leben zu einer negativen Erfahrung mit lauten Geräuschen kommt, natürlich mit der Zeit ansteigt. Zusätzlich kann es zu einer Sensibilisierung (der Hund reagiert immer stärker auf den Angstauslöser) sowie einer Generalisierung (der Hund weitet seine Angstreaktion auf andere, ähnliche Reize aus) kommen. Dennoch gaben die Fragebogenergebnisse auch Grund zur Hoffnung: Mehr als ein Drittel der befragten Hundebesitzer gab an, dass sich die Angst ihres Hundes stark oder etwas verbessert hatte. Bei einem Drittel gab es keine Veränderung in der Angst; in den restlichen 27 % der Fälle wurde eine Verschlechterung der Ängste beobachtet.

Der hohe Prozentsatz, der eine Verbesserung verzeichnen konnte, ist auf den ersten Blick überraschend – kann aber möglicherweise durch das hohe Engagement der beteiligten Hundebesitzer erklärt werden. So hatten sich beinahe 70% der Besitzer von ängstlichen Hunden Hilfe gesucht; davon hatten die meisten einen Trainer aufgesucht, im Internet recherchiert oder einen Tierarzt konsultiert.

Der Wert von Verhaltenstraining

Wie die Angstentwicklung durch Training beeinflusst werden kann, war eine weitere Fragestellung der Studie. Dafür bewerteten die Teilnehmenden das Fortschreiten der Feuerwerksangst bei ihrem Hund auf einer Skala von 1-5 (1: „die Angst hat sich stark verbessert“; 5: „die Angst ist viel schlimmer geworden“). Rund die Hälfte der HalterInnen von ängstlichen Hunden hatte mit ihren Hunden ein Verhaltenstraining durchgeführt, um gegen die Feuerwerksangst anzugehen. Die Angstentwicklung in dieser Gruppe wurde mit der Gruppe der Hunde verglichen, die kein derartiges Training erlebt hatte. Der Unterschied zwischen den Gruppen war signifikant: So lagen die durchschnittlichen Werte zur Entwicklung der Feuerwerksangst bei Hunden mit Training bei 2 („die Angst hat sich eher verbessert), bei jenen ohne Training bei 3 („keine Veränderung“). Dieser Erfolg konnte nicht auf die Gabe von angstlösenden Medikamenten zurückgeführt wurden, denn in beiden Gruppen erhielten ungefähr gleich viele Hunde Medikamente.

In einer weiteren Studie wurde untersucht, welche Trainingsansätze am wirksamsten sind. Dabei stellten sich die spontane Gegenkonditionierung sowie Entspannungstraining als die hilfreichsten Trainingsmaßnahmen zur Verminderung von Feuerwerksangst heraus. In dieser Studie wurde zwischen spontaner Gegenkonditionierung (wenn ein Geräusch ertönt, folgt eine tolle Belohnung oder der Besitzer feiert eine kleine „Party“) und der Desensibilisierung/ Gegenkonditionierung mit Geräusch-CDs unterschieden. Bei letzterer Methode werden dem Hund Aufnahmen von Feuerwerksgeräuschen vorgespielt, wobei man auf einer ganz leisen Stufe anfängt und die Lautstärke schrittweise erhöht, solange der Hund entspannt bleibt. Die Gegenkonditionierungs-Komponente bei diesem Training besteht darin, die Geräusche ebenfalls mit hochwertigem Futter oder Spiel zu verknüpfen.

Obwohl diese Methode in der Literatur die am meisten empfohlene Maßnahme zur Behandlung von Geräuschängsten ist, konnte sie in der Studie nur eine Erfolgsrate von 55 % verzeichnen. Audioaufnahmen können nicht alle Aspekte von echten Feuerwerken nachbilden und viele Hunde scheinen zwischen Aufnahme und echten Reizen zu unterscheiden.

Die spontane Gegenkonditionierung bei lauten Geräuschen war den Besitzern zufolge hingegen in über 70% der Fälle effektiv. Kong, Lickimat & Co und das Lieblingsfutter des Hundes sollten also zur Grundausstattung für die Silvesternacht gehören. Fast genauso erfolgreich wie die spontane Gegenkonditionierung wurde auch die Methode des Entspannungstrainings bewertet (69 % Erfolg).

Beim Entspannungstraining lernt der Hund, ein Signal – beispielsweise ein bestimmtes Wort, eine Decke oder einen Duft – mit Entspannung zu verknüpfen, sodass Entspannung später auch in stressigen Situationen ausgelöst werden kann. Rund 70 % der Besitzer, die diese Trainingsmethoden probiert hatten, empfanden sie als erfolgreich. Selbstverständlich muss diese Verknüpfung aber im Vorhinein gut aufgebaut werden, damit das Entspannungssignal in der „Extremsituation“ auch wirklich eine Wirkung haben kann.

Ein sorgfältig aufgebautes Entspannungstraining, zum Beispiel mit einer bestimmten Decke, Musik oder einem Geruch als Entspannungssignal, kann auch zu Silvester Ängste vermindern.

Ist Feuerwerksangst vermeidbar?

Doch wie immer gilt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Die Studie erfragte auch, ob die Besitzer mit ihrem Hund präventives Training durchgeführt hatten, noch bevor der Hund Anzeichen von Feuerwerksangst zeigte, und ob ihr Hund dabei noch ein Welpe oder schon erwachsen war. Die Ergebnisse zeigten, dass präventives Training das Auftreten von Feuerwerksangst extrem effektiv verhindern konnte. Dies war insbesondere der Fall, wenn es bereits im Welpenalter durchgeführt wurde. Hunde, deren Besitzer im Welpenalter mit ihnen gegen Geräuschängste trainiert hatten, wurden überwiegend als gar nicht ängstlich beurteilt (durchschnittlicher Angst-Score: 1). Aber auch im Erwachsenenalter wirkte sich Training, noch bevor Geräuschängste auftraten, positiv aus; diese Hunde hatten durchschnittlich den zweitniedrigsten Angst-Score (2). Bei Hunden ohne vorheriges Training lag der durchschnittliche Angstwert hingegen bei 4, dem zweithöchsten Wert.

 Fazit

Feuerwerksangst muss keine Einbahnstraße sein! Eine Verbesserung ist in den meisten Fällen möglich. Jetzt, kurz vor Silvester, sind es vor allem Management-Maßnahmen und gegebenenfalls der Einsatz angstlösender Medikamente, mit denen zumindest neue schlechte Erfahrungen vermieden werden können. Im neuen Jahr kann dann auch gezielt mit Training begonnen werden. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass sich diese Mühe lohnt und Training gegen Geräuschangst, insbesondere Gegenkonditionierung und Entspannungstraining, mit einer Verbesserung der Angst verbunden ist. Dennoch reicht Training häufig nicht als alleinige Maßnahme aus, so dass eine Kombination verschiedener Therapieansätze oft am zielführendsten ist. Falls man das Glück hat, einen Hund zu haben, der noch keine Ängste zeigt, ist präventives Training der beste Weg, dafür zu sorgen, dass das so bleibt.

 

Quellen:

Riemer S (2019) Not a one-way road – severity, progression and prevention of firework fears in dogs. PLoS ONE 14(9), e0218150. Volltext

Riemer, S. (2020). Effectiveness of treatments for firework fears in dogs. Journal of Veterinary Behavior 37: 61-70. Volltext

Der Artikel von Dr. Stefanie Riemer ist in leicht abgewandelter Form erstmals hier erschienen.